Siegen oder gewinnen, was für eine Frage, wo ist der Unterschied?! Nun, der Unterschied ist ein gewaltiger, in der Einstellung, im Ergebnis, den eigenen und den fremden Wahrnehmungen und natürlich auch den Schlussfolgerungen für das weitere Handeln.
Sicherlich kann man glauben, dass es sich hier um ein bloßes Wortspiel handelt, aber beide Worte haben einen tieferen Sinn. Umgangssprachlich sagen wir oft, dass wir, wenn wir jemanden besiegt haben, gewonnen haben. Das ist auch nicht prinzipiell falsch, aber immer ist es so, dass es dort, wo es Sieger gibt, auch Verlierer sind, aber gewinnen kann auch ein sogenannter Verlierer.
Der sportliche Wettstreit – immer seltener fair – ist heute in seiner Art der Austragung und den Austragungsstätten ein unverzichtbarer Teil der Staatspolitik im Sinne von„Brot und Spiele“ und in Abwandlung eines Ausspruchs von Klausewitz die „… die Fortsetzung des Krieg(es) mit anderen Mitteln!“ Der Wettstreit ist nicht fair, sondern die besten Voraussetzungen hat der, der hohe Investitionen bekommt und diese dann wieder refinanzieren kann. In diesem Kampf ist jedem jedes Mittel recht. Es zählt nur der Sieg und die siegreichen Heimkehrer werden gefeiert, wie Kriegshelden, mit Empfängen, mit Orden und Ehrenzeichen und lukrativen Werbeverträgen.
Gehen wir davon aus, dass sich in einem z.B. sportlichen Wettkampf zwei Sportler oder Mannschaften gegenüber stehen, so gibt es in der Regel am Ende einen Sieger und einen Verlierer. Der Sieger wird gefeiert, als beispielhaft dargestellt und als Vorbild genutzt. Zumeist sind in der heutigen Zeit mit dem Sieg noch andere lukrative Geschäfte verbunden, die den Rum über die Maßen vergolden und verlängern.
Der Verlierer geht geschlagen vom Platz und wird meist keines Wortes gewürdigt, unabhängig von seiner Leistung. Auch Rum und Ehre wird ihm nur beschränkt oder gar nicht zu teil. Erst recht nicht, wenn er ein geschlagener früherer Sieger ist.
Betrachten wir den Umstand des Siegens, so gibt es dabei immer einen Sieger und einen Verlierer. Selbst dann, wenn es nicht nur um den Zweikampf geht, sondern es ein Mehrkampf im Sinne von vielen Teilnehmern ist, gibt es nur einen Sieger, alle anderen werden, auch wenn sie auf den Plätzen zwei und drei sind, schon als Verlierer gesehen und behandelt.
Betrachten wir den Umstand des Gewinnens, so haben wir selbst wenn wir nicht gesiegt haben, aber trotzdem die Möglichkeit zu gewinnen, nämlich Erfahrungen und Einsichten, dass es so nicht geht, das wir zwar alles gegeben haben, es aber nicht ausreichend für den Platz 1 war. Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit, uns über den Gewinn an positiven Erfahrungen für die neuerliche Herausforderung zu motivieren. Es ist also eine Einstellungssache, in allem, auch einer scheinbaren Niederlage einen Gewinn zu sehen. Ich entscheide mich für die Sicht der Dinge. Und letztlich kann ich noch immer sagen; „Ich habe an dem Ausscheid der Besten teil genommen!“
Jeder kennt die Situation, sich als Verlierer zu fühlen. Es hat zwangsläufig den Beigeschmack des Versagens, des nicht gut genug Seins, nicht anerkannt Werdens. Solche Gefühle sind in keiner Weise dazu geeignet, den vermeintlichen Verlierer zu motivieren, ihn dann aus dem Tief heraus zu holen.
Kann ich mich allerdings auch als der auf einen der Plätze oder noch weiter nach hinten verwiesenen mit der Einstellung, Gewinner zu sein, engagieren, so habe ich eine andere Gefühlswelt im Wettkampf und erst recht für einen neuen Wettstreit.
Die Einstellung, siegen zu wollen, wirkt für jeden, der schon einmal verloren hat und damit auch mit den üblichen Werturteilen für den Verlierer konfrontiert wurde, kontraproduktiv. Will ich gewinnen, so kann ich gewinnen, indem ich den ersten Platz belege, ich gewinne aber auch, wenn ich diesen nicht belege. Ich gewinne also immer, es ist lediglich eine Frage der Sichtweise für den Gewinn.
Will ich siegen, so muss ich meinen Gegner besiegen. Umgekehrt bedeutet das, dass wenn ich nicht siege, mein Gegner der Sieger ist und ich bin der Verlierer. Denke ich nur in der Dualität von Siegen und Verlieren, so habe ich zwangsläufig Angst davor, zu verlieren. Genau diese Angst lähmt mich in meinem Kampf um den erstrebten Sieg. Die Angst nimmt mir die gedankliche Freiheit für den Wettkampf, da ich alle Konsequenzen für den Verlierer, der ja aber immer noch Gewinner sein kann, wenn er das will, fürchte. Da jeder nur den Sieger sehen, auch nur ihm den geglaubten Tribut zollen will, wird alles hinter dem Platz eins zum Verlierer. Wir kennen Fußballmannschaften, die sich in ihrer Liga recht weit nach vorne spielen und durchaus das Zeug haben, Tabellenführer oder gar Meister zu werden. Mit dem nach vorne Rücken wird ein Druck zum Sieg aufgebaut, der dann Angst macht, zu verlieren und so wird dann wieder verloren. Sieger machen immer nur das, was sie immer gemacht haben, um zu siegen, sie haben ihre Siegesmuster. Sie probieren kaum neues aus, weil sie den Ausgang nicht beurteilen können; „Wir haben das immer so gemacht!“. Gewinner probieren und versuchen, experimentieren, weil jeder Versuch ein Gewinn ist, eine Erkenntnis im Sinne von „Ja“ oder „Nein“. Leider sehen wir auch, dass Menschen mit der Mentalität des Gewinners zu den Siegern gedrängt werden oder verdrängt werden.
Das persönliche, beim Sport nach außen getragene Wertesystem kommt natürlich im Alltagsleben unmittelbar zum Jubilierenden zurück. Fast täglich werden wir mit Situationen konfrontiert, in denen es anscheinend um den Sieg geht und so spielen wir immer auf Sieg, koste es, was es wolle. Und jeder kennt die Mittel, die dafür genutzt werden. Es sind Druck, Drohung, Verdrehung der Wertmaßstäbe, Lüge, Verleumdung und immer wieder in den Schlagzeilen; das Doping.
Wollen wir eine Veränderung im Denken, hin zum Gewinnen erreichen, müssen wir die Wertmaßstäbe und Werturteile verändern. Nicht nur der auf Platz eins hat alles gegeben, sondern auch jeder, der dazu beigetragen hat, dass der erstplacierte in einem Wettstreit auch dorthin gekommen ist. Er hat sich mit den Besten gemessen und gewonnen, im doppelten Sinne, den Platz eins und die Erfahrung, wie man es macht. Auch alle anderen Teilnehmer müssen die gleiche Wertschätzung erfahren, da auch sie alles gegeben haben, eben entsprechend ihren Möglichkeiten. Achten wir die Leistungen anderer nicht – manchmal geschieht es rein verbal, weil es ja gut aussieht und die eigene Leistung noch mehr erstrahlen lässt – kann ein Preis auch verlost werden. Der Gegner verkommt im Nachhinein doch nur zur Staffage.
Wohin wir mit den gegenwärtigen Wertmaßstäben und –urteilen kommen, sehen wir an der Praxis des Dopings in wohl allen Sportarten und allen Sportnationen. Selbst die deutschen Saubermänner und –frauen fallen hier auf. Wie groß muss der Druck sein, bei einer fast 100 %-igen Aufdeckung der Einnahme verbotener Substanzen, sich der Gefahr der Aberkennung des Titels und einer Startsperre von mehreren Jahren auszusetzen. Hier wird die gesellschaftliche Unmoral im Umgang mit Leistungen persönlich inhaliert und umgesetzt, kurzfristiger und unehrlich erworbener Erfolg ausgekostet. Es ist das Denken aus der Wirtschaft und der Politik; Nach mir die Sintflut, gepaart mit der Unehrlichkeit im Eingestehen des Vergehens. „Da muss mir doch jemand was ins Essen oder die Zahncreme gegeben haben!“ oder …“ich wollt doch nur meinem Pferd helfen …“ Sich dann auch noch als Opfer fühlen, weil es viele machen und man selber aufgeflogen ist.
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