Die Hopi als ein Volk amerikanischer Ureinwohner haben in einer Prophezeiung geschrieben „sie werden vor vollen Tellern sitzen und trotzdem verhungern“. Für diese Aussage fallen mir wenigstens drei Interpretationen ein, die unmittelbar mit unserer Gesellschaft zusammen hängen.
Die Masse der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland lebt mit einem regelmäßigen Einkommen und kommt damit monatlich gut bis sehr gut über die Runden. Der Konsum in unserem Land hat ein enormes Ausmaß erreicht, wir leben in einer Überflussgesellschaft. Das Angebot ist ungeheuerlich und die Nachfrage nicht wesentlich geringer. Da wir uns in einem ständig suggerierten geglaubten Mangel im Haben befinden, versuchen wir diesen durch Konsumtion zu decken. Krisen in unserem Land haben einen marginalen Einfluss auf die Konsumtion, da sie genauer betrachtet herbei geredet werden und wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wirken.
Zu den Hopi zurück, so ist unsere Konsumtion tatsächlich mit den vollen Tellern zu vergleichen. Weshalb werden wir aber trotzdem verhungern? Es ist nicht zu leugnen, dass die gesellschaftliche Kälte immer weiter zunimmt. Wir leben in einer Neidgesellschaft, in der jeder Mensch das haben will, was der andere auch hat, wenn nicht, sogar noch mehr oder noch besser haben will. Die Menschen ziehen sich in ihre Behausungen zurück und leben allein für sich. Die technischen Mittel dafür liefert wiederum der übervolle Markt. Wir verlernen es, mit einander von Angesicht zu kommunizieren, verlernen es uns in die Augen zu sehen und authentisch zu sein. Der Umgang der Menschen verroht und wird stumpfsinnig. Das Wissen der Menschen über den Menschen und erst recht über sich selbst, ganz persönlich entwickelt sich zu einem Null-Punkt hin. Es ist ein persönliches Desinteresse an der eigenen Persönlichkeit zu verzeichnen.
Die Menschheit wird nicht durch den Klimawandel auf der Erde zu Grunde gehen, sie wird vorher an der emotionalen Kälte der Gesellschaft erfroren sein. Und so werden wir mit den vollen Tellern verhungern.
Eine zweite Interpretation ist unsere Ernährung. Unsere Teller sind voll, wenn wir die Supermärkte als Sinnbild des Tellers nehmen wollen. Es wird soviel angeboten, dass bereits in den Märkten Unmengen wegen Überlagerung weggeworfen werden muss. In den Haushalten geht es dann weiter. Die Vorratspackungen werden immer größer, um mehr zu verkaufen und damit mehr wegzuwerfen, alles unter dem „Argument“, das größere Packungen billiger werden. Letztlich geht es um Maßlosigkeit in der Konsumtion von Lebensmitteln – schauen wir uns um, so ist Bewegungsarmut (körperlich und auch geistig) eine Folge davon. Machen wir uns die Mühe, uns mit den Inhalten der Produkte zu befassen, so können wir feststellen, dass sie uns vielfach nicht mehr ernähren im Sinne von Nahrungsmitteln, sondern einfach nur noch am Leben halten im Sinne von Lebensmitteln. Sie strotzen vor chemischen Geschmacksstoffen und –verstärkern und den Mitteln um sie länger haltbar zu machen. Durch die angebotenen Massen werden auch normale Reife- und Wachstumsprozesse für pflanzliche und tierische Produkte beschleunigt, was wiederum nur durch Massenproduktion und –tierhaltung möglich ist. Böden werden ausgelaugt und chemisch aufgepeppt. Mineralische Inhaltsstoffe von Äpfeln haben z. B. innerhalb der letzten 40 Jahre um 50 % abgenommen. So ist es bei vielen anderen Obst- und Gemüsesorten ähnlich. Von der Tiermast mit dem Zusatz von Antibiotika ganz zu schweigen.
Also auch bei der Nahrung sind unsere Teller voll, aber die Nahrung selber ist inhaltlich einfach leer.
Eine dritte Interpretation ist unsere gewaltige, auf Export ausgerichtete Wirtschaft und vor allem jene Menschen, die als Produktivkräfte tätig sind. Hier haben wir eine Führungs“qualität“ entwickelt, die ebenfalls aus einem Mangeldenken resultiert. Wie bei der Frage, was denn zuerst da war, das Ei oder die Henne ist es hier auch mit der Ursachensuche. Grundlegend ist allerdings festzustellen, dass die komplette Erziehungs-, Lehr- und letztlich auch Führungsarbeit auf der Basis von gesuchten und gefundenen persönlich-menschlichen Schwächen praktiziert wird. Ob das, was wir erleben, auch mit funktionieren zu bezeichnen ist, möchte ich nicht interpretieren.
Die gesamte Arbeit am Menschen sowohl durch andere Personen, als auch durch einen selbst basiert auf dem Mangel an Stärken. So haben wir aus dem bereits aus dem Kleinkindalter vermittelten Gefühl von Unvollständigkeit und Schwäche u. a. einen Mangel an Selbstbewusstsein und –sicherheit und damit auch kommunikativen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Selbst das Verhalten von Führungskräften baut auf Mangel auf, da Führungsstile eben aus einem Selbst- und Fremdverständnis resultieren und ein Spiegel für Selbst- und Fremdreflektion sind. Wir verstehen es nicht, an Stärken anzuknüpfen, vorhandenes Personal zu qualifizieren, das nationale Potential zu erschließen und auszuschöpfen. Wir jammern lieber über zu wenig geeignetes Personal.
Der volle Teller ist das enorme Potential der deutschen Wirtschaft und der riesige Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. Das wir ausreichend eigene Arbeitskräfte haben, die allerdings noch qualifiziert werden müssen, das ignorieren wir. Wir nehmen lieber den Adel nach holländischer Art „van den anderen“ frei nach Machiavelli „was kann einem Herren besseres geschehen, als das er von anderen qualifizierte Arbeitskräfte bekommt“. Verhungern werden wir, weil wir die qualifizierten Arbeitskräfte aus anderen Ländern holen, bzw. weil Geiz einfach geil ist und die Produktion auslagern. Über Auslagerung machen wir andere „Länder“ schlau, über die GreenCard verfallen bei uns Potentiale, die der Staat versorgen muss. Letztlich lässt es der Staat mit seinen Geldern zu, dass Teile aus dem eigenen Volk, weil sie als schwach und mangelhaft abgestempelt werden, bei vollem Teller verhungern, wenn auch nicht körperlich, so doch geistig und emotional.
Ein weiteres Beispiel ist unsere Politik im Bezug auf Rohstoffe und die damit verbundene Preispolitik. Seit über 30 Jahren wird uns in allen möglichen Farben vermittelt, dass z. B. Erdöl knapp wird, bzw. ein Ende absehbar ist. Offizielle Tabellen des Systemanalytikers Dennis Meadows haben schon 1972 „verdeutlicht“, dass Erdöl, in der damaligen Menge gefördert, im Jahr 2001 erschöpft ist, mit einer expotentiellen Steigerung und bei fünffachen Vorräten, wie 1970 bekannte, im Jahr 2020 nicht mehr vorhanden ist. Nach diesen Vorstellungen dürfte es Gold in der Natur bereits seit 9 Jahren nicht mehr geben. Die Industrie schöpft heute noch immer aus dem Vollen und manipuliert uns mit dem Ende der Vorräte und damit einem ständigen Preisanstieg zum Maximierung der Profite. Mit einer so vorgenommenen künstlich herbei geredeten Verknappung von Rohstoffen werden Preise und Menschen manipuliert. Wir wissen, dass bei einem sinnvollen Umgang mit den Ressourcen für alle Menschen dieser Welt genug vorhanden ist, aber die Politik als Interessenvertreter der Industrie lässt es gemeinsam mit dieser zu, dass Menschen zu hunderttausenden auch körperlich verhungern.
Ein letzter Aspekt: Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich Wissenschaft und Technik schneller entwickelt, als in den vielen Jahrhunderten zuvor. Vor allem seit der Mitte der 60er, Anfang der 70er Jahre können wir von eine exorbitanten Steigerung sprechen. Das Wissen der Menschheit verdoppelt sich heute in immer kürzeren Abständen. Alle dieser Fortschritt konzentriert sich allerdings vordergründig auf den technischen Bereich, alles das, was man unter der Abkürzung IQ und dem Begriff akademisches Wissen zusammen fassen kann. Schauen wir im Vergleich dazu an, wie sich die Kenntnisse über den Menschen als solches, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt haben, so hinken wir hier weit hinterher, wahrscheinlich in einer Relation von 90 zu 10 zu Gunsten der Technik. Schauen wir dann noch nach, wie groß das persönliche Interesse der Menschen daran ist, etwas über sich persönlich in Erfahrung zu bringen, z. B. der Frage nach dem Sinn des Lebens, die Rolle der Botenstoffe in unserem Körper, die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit oder eine ausgewogene Ernährung, den ganzheitlichen Prozess von Lernen oder was Lernen überhaupt bedeute, so sehen wir uns hier in einem Dilemma von bestimmt nur noch 1 – 3 % im Verhältnis zu den überwiegenden ca. 97 % zu dem rein technischen Wissen. Das ist offensichtlich auch dem Umstand geschuldet, das der Mensch in weiten Breiten unserer Gesellschaft noch immer als biologische Maschine betrachtet wird, bei der man auch mal schnell ein Teil wechseln kann.
Auch hier sitzen wir wieder vor den vollen Tellern der wissenschaftlich-technischen Errungenschaften und Erkenntnisse und werden geistig und persönlich-menschlich verhungern.